Manche sagen, ihre Zeit sei die Nacht,
aber das sehe ich anders. Vielleicht bietet die Nacht mehr
Möglichkeiten, erlaubt durch den Mangel an Reizen eine intensivere
Beschäftigung mit ihr, aber präsent ist sie immer. Jetzt gerade
nimmt sie zu, wartet nicht länger bis freie Momente zur Verfügung
stehen, sondern stiehlt sie von meinem Alltag. Sie ist die Hand um
meine Kehle, die Erhöhung der Stimmlage und das Herzrasen. Sie malt
Trugbilder, verleiht der Realität Vielschichtigkeit und legt
hässliche Masken auf die Gesichter der Menschen. Auch und gerade auf
die derjenigen, die mir wohlgesonnen sind. In diesen Tagen macht es
keinen Unterschied. Ich fürchte sie genug, um sie zu
personifizieren, gliedere sie aus und merke dabei, dass es genau der
falsche Weg ist. Also nenne ich sie Angst. Sie kommt von Innen, ist
tonnenschweres Gewicht und nagender Zahn in meinen Eingeweiden. Dass
ich so fühlen dürfe, ist ein gutgemeinter Rat, ich weiß um die
Absicht dahinter und erkenne die Freundlichkeit dieser Worte an. Von
Nutzen allerdings sind sie nicht. Letztlich ist es der Angst egal, ob
ihre Existenz legitimiert wurde, sie ist einfach da. Und sie wächst,
wächst sich aus zu etwas, das Fachnamen trägt und mich im Haus
ankettet. Es wird schwieriger, den Körper vor die Tür zu zwingen
und meist verlangt er dafür eine Belohnung in Form von Substanzen,
die ihm nicht gut tun. Sie schmälern die Angst, aber töten das Ich.
Das Ich. Und warum du überhaupt? Du wirkst immer so... . Genau.
Vielmehr glaube ich sogar, dass jene Fassade der Mensch ist der ich
sein kann. Könnte. Ohne die Angst und die vielen Mittel, die sie
einen Moment lang beiseite zwingen. Woher kommt sie? Ist sie
atavistisch, basiert sie auf einer Begebenheit? Tausend Antworten,
für das Thema hat keine davon Relevanz, weil es egal ist, woraus sie
resultiert. Wichtig ist, dass sie da ist. Vertraut, aber mit neuem
Unterton, belastender und einschränkender denn je. Die Angst.