Sonntag, 26. Mai 2013

Ich will aber!




 
Ich bin kein „will aber!“ Kind. Nie gewesen. Aber jetzt gerade schlägt's mir aufs Gemüt und da ich niemandem die Schuld geben kann, einfach mal die Forderung:

                                              ICH WILL FRÜHLING!

Oder wenigstens einen Sonnentag. Einen ganz kleinen. Zum Rausgehen, anstatt den Nachmittag vor dem Rechner zu hängen und mit Photos aus sonnigeren Zeiten zu spielen.




















Donnerstag, 23. Mai 2013

You bastards!






Wie schön dich hier zu sehen
Erwart' nicht allzuviel
Ich wollte gerade gehen
Gehört zu meinem Spiel

„Zuerst musst du mich finden“
Sag' ich mysteriös
Ich will mich ungern binden
Bin wild und kapriziös

Und schaust du zu begierig,
Hauch' ich das Feuer aus
Ich bin so gerne schwierig
So teste ich dich aus

Bezeichne, dich zu locken,
Mich oft als kompliziert
Yeah, Babe, Neurosen rocken
Schön, wenn's dich irritiert

Ich hab' so viele Träume
So Vieles was ich brauch'
Am meisten die Freiräume
Wie jetzt, DU träumst auch?

Ich flüst're von Bedenken
Verlusten und dem Ex
Um dich mal abzulenken
Ganz gerne auch beim Sex

Beharre auf die Freiheit
Und mein' damit nicht dich
Es gibt in dieser Einheit
Ausschließlich uns und mich

Und wird’s für dich dann zu viel
Bleibt's für mich doch win-win
Beglück' mit noch mehr Schauspiel
Den nächsten Neubeginn


Montag, 20. Mai 2013

Generation 3








Mit zwölf, müssen Sie wissen, konnte Gabriel einen Schmetterling aus sechs Metern Entfernung mit dem Messer treffen. Aber er zielte lieber auf die Spinnen.

Ihre Hände zittern nicht, als sie sich das Haar aus dem Gesicht streicht und so den Blick auf ihre linke Gesichtshälfte frei gibt. Er hat sich darauf vorbereitet und tatsächlich ist der Anblick weniger schlimm, als vermutet. Er kennt ihre Geschichte, hat Akten gelesen, Fotos studiert und jeden auffindbaren Zeugen ihres Lebens befragt.

Noch war der Sommer der Liebe fern, aber ein warmer Wind kündete von seinem Nahen. Sanft trocknete er die Schweißperlen auf der Stirn der Frau und umschmeichelte sie so zärtlich, dass der Junge ihren Körper widerstandslos verließ. Wie eine Erbse aus der Schote glitt er in die Geborgenheit des ihm zugedachten Seins, in die warme Umarmung seiner Eltern, die ihn lachend und weinend und so glücklich in dieser Welt begrüßten, dass er das Schreien einstellte und ihnen die Gnade seines ersten Blicks schenkte.

Noch war der Sommer der Liebe fern, aber hierher hätte er sich sowieso nicht verirrt. Kaltes Licht färbte die Haut der Frau grünlich. Sie schwitzte, stank und schrie. Abgestandener Atem drang stoßweise zwischen ihren gebleckten Zähnen hervor und wandelte sich in einen gutturalen Schrei, als sie all ihren Hass bündelte und das Mädchen mit der letzten Presswehe aus ihrem Körper zwang.
Ein bläulicher Klumpen, überzogen von Blut und weißer Schmiere, mit verzerrtem Mund aus dem ein dünnes Heulen drang. Als man das kleine Gesicht reinigte, trug es die Züge des Vaters und die Mutter brüllte vor Ekel.

Er hatte Probleme mit ruhenden Zielen. Seltsam, nicht wahr? Wenn sich etwas bewegte, traf er besser.

Sie betrachtet die Fotos, die er ihr mitgebracht hat. Er hat sie aus nicht ganz legalen Quellen, was ihn sorgt, aber ihr Interesse daran lässt die Bedenken verschwinden.

Unzählige Blätter hatten sie mit Namen beschrieben. Viele wurden verworfen, weil sie nichtssagend klangen, andere waren außergewöhnlich, aber von einer Größe, deren Ansprüche das Kind erdrücken konnte. Der Name den sie wählten stand auf keiner ihrer Listen, er war keine Entscheidung, die man traf, sondern erschien selbstverständlich, als ihre staunenden Blicke die tiefblauen Augen ihres Erstgeborenen fanden. Gabriel.

Unzählige Male hatten die Eltern sie gebeten, einen Namen zu wählen, aber sie hatte es nicht gekonnt. Wenn sie die Kinder in der benachbarten Grundschule beobachte, vermochte sie keine Verbindung zwischen ihnen und dem heranwachsenden Krebs herzustellen. Auch als sie vor der Glasscheibe stand und leeren Blickes den Dämon inmitten der Neugeborenen betrachtete, konnte sie sich nicht entscheiden. Hass.Teufel. Dreck. Die Hand ihrer Mutter grub sich schmerzhaft in ihre Schulter, noch bevor sie der Frau mit den Papieren antworten konnte. Martha.

Gott liebte. Aber manche mehr.
Gott vergab. Aber nicht jedem.

Er war schön. Ich müsste sagen, dass ich ihn mochte weil er sanft war und freundlich. Weil er mich vor dem Spott der anderen Kinder beschützte. Aber all das kam später. Am Anfang liebte ich ihn seiner Schönheit wegen. Ein Ideal, dessen Faszination man sich nicht entziehen kann. Verstehen Sie?

Die Bilder auf denen sie abgebildet ist, legt sie achtlos beiseite. Sowieso sind es nicht allzu viele. Diejenigen, die Gabriel zeigen, betrachtet sie mit schüchterner Zärtlichkeit. Dann findet sie eines, auf dem sie gemeinsam abgebildet sind. So unerwartet breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus, dass er gegen eine plötzliche Rührung ankämpfen muss.

Gabriels Schönheit versetzte Fremde, die von den glücklichen Gesichtern seiner Eltern angelockt einen Blick in seinen Kinderwagen warfen, in haltloses Entzücken. Sein Charisma wuchs mit ihm, ebnete ihm den Weg in Herzen, ohne ihn zu verderben. Sommeraugen. Blau, tief, entrückt, Goldlocken und ein ewiges Lächeln. Zu viele Gaben, um nicht das Interesse der dreizehnten Fee zu wecken.

Das Dilemma war quälend. Die Polizei hatte ihn nie gefunden und lähmende Angst überkam sie, wann immer sie das Haus verließ. Aber auch dort war sie nicht sicher. Er lauerte in dem Mädchen. Nicht nur hatte er ihr diesen Krebs eingepflanzt, nein, als er aus ihr herausgebrochen war, hatte sie gesehen, dass der Teufel als letzte Demütigung sein Gesicht auf das seiner Saat gestempelt hatte. Das Erbe machte Zärtlichkeiten unmöglich, aber das Kind wuchs auch so und mit ihm die Erinnerung und der Hass Ein stilles Mädchen, unauffällig und folgsam, aber es hatte die Augen des Teufels. Kieselaugen. Graugrün, blank und hart. Die Mutter ertrug seine Blicke nicht und drohte dem Kind, bis das nicht mehr genügte und ein kitzelndes Verlangen sie zu Taten trieb.

Gott liebte, aber manchmal war er unaufmerksam.
Gott vergab, aber manchmal verlangte er einen hohen Preis.

Verständlicherweise lag meiner Mutter wenig daran, mich fotografieren zu lassen und meine Erinnerung ist unscharf. Eigentlich kenne ich mein Gesicht nur so.

Die Narbe zieht sich vom linken Mundwinkel bis weit über die Wange. Eine schmale Linie, die sich kaum von der Haut abhebt, aber ihren Mundwinkel nach oben zieht und dem Gesicht einen unangenehm wissenden, anzüglichen Ausdruck verleiht. Wie er jetzt bemerkt, neigt sie den Kopf zur Seite, um das schiefe Lächeln etwas auszugleichen. Er hatte Nervosität erwartet. Unruhige Hände, ein Zittern in der Stimme, aber sie ist vollkommen gelassen, als sie weiter spricht.

Die Spinne saß neben dem roten Fleck an der Unterseite der Matratze. Eine Winkelspinne. Mehr als kinderhandtellergroß. Sanft vibrierte sie im Rhythmus der Schläge und Stöße von der Oberseite des Betts. In einem weit entfernten Land tanzten Zehntausende entrückt für den Frieden. Vor dem Fenster tanzten die Glühwürmchen. In dem kleinen Schlafzimmer tanzte der Wahnsinn. Die unterdrückten Schreie seiner Mutter waren verstummt, nur das Keuchen der Fremden war noch zu hören. Auf dem Läufer im Flur lag sein Vater so regungslos und blutüberströmt, dass Gabriel nicht hinsehen konnte. Stattdessen starrte er auf die Spinne. Bis zu jener Nacht hatte er geglaubt, dass diese Tiere seine größte Furcht seien. Es gab neue Geräusche, aggressives Flüstern und dann ein obszönes Schmatzen. Der rote Fleck wuchs, berührte ein Spinnenbein. Das Tier bewegte sich, langsam stakste es über die raue Oberfläche, streckte seine Gliedmaßen prüfend in die ein oder andere Richtung, bis es eine Entscheidung getroffen hatte. Sanft setzte die Spinne ihr Bein auf sonnenbraune Kinderhaut. Als der restliche Körper folgte, biss Gabriel seine Unterlippe durch.

Der Hass der Mutter war wie das Meer, heftig aber berechenbar. Es gab Mittel und Wege, sich zu schützen. Möglichst viel Zeit draußen verbringen. Verbergen, was einem am Herzen lag, weg sehen, bevor Blicke sich kreuzten. Nicht lächeln. Das war am wichtigsten. Das Lächeln war böse, beschwor Sturmflut, Tsunami und Schiffbruch. Das Mädchen achtete darauf, die Regeln zu wahren, aber auch in ihm verbarg sich das Temperament der See, trieb sie an manchen Tagen dazu, aufzubegehren. Mit einer falschen Geste, einem falschen Blick, oder eben einem Lächeln. An jenem Abend war das Lächeln hartnäckig. Es blieb haften, als gezischte Drohungen fielen, zog sich in die Breite, als ein Teller flog und strahlte verachtend, als die Hände der Mutter es klatschend aus dem Gesicht zu wischen suchten. In einem weit entfernten Land tanzten Zehntausende unter dem Einfluss halluzinogener Substanzen. Vor dem Fenster tanzten Schnaken. In dem schummrigen Wohnzimmer tanzte der Wahnsinn. Es war ein Versehen, geschah, als das Mädchen sein Lächeln bereits verloren hatte und das Gesicht Schutz suchend abwandte, dass der Finger der Mutter seinen Mundwinkel einriß. Es war ein Versehen, aber das schmatzende Geräusch, als zuerst die Haut und dann das Fleisch des Kindes rissen, war so befriedigend, dass sie noch ein wenig heftiger zog.



Teil II

Freitag, 3. Mai 2013

Traum A






Wenn sich die Furcht in den Nächten auswächst und das Lied der fahlen Sirene ihn aus dem Schlaf reißt, wird er zum Wanderer. Stunde um Stunde patrouilliert er zwischen dem Zimmer des Kindes und dem der Frau, züchtet Falten, für die sein Gesicht zu jung ist und flüstert Schwüre ins Dunkel.

Die Worte sind alt und verkrustet. Drei an der Zahl, hastig und notgeil von so vielen Mündern gestöhnt, dass ihr Wert gegen Null geht, aber in ihm sind gewichtig und klammern sich aneinander. Lange Zeit zu schwer, um sich zu lösen, zu groß, drängen sie nun nach oben, pressen sich von Innen an seine schmale Lippen. Präteritum bedeutet immer auch Konjunktiv. Als die Gesetze des Erträglichen noch ungebrochen waren, trug sie Feuer im Haar und das Erbe des Spätsommers auf der Haut. In unbeobachteten Momenten galt ihr Lächeln ihm, aber es war die Zeit des Königs und er nicht mehr, als der Barbierjunge, der mit zitternden Händen seinen Schrei vergrub. In den guten Träumen schläft sie in diesem Loch, bedeckt von schützender Muttererde, von der Wärme seiner Worte zehrend, bis der Frühling wiederkehrt. In seinen Albträumen liegt sie schon lange genug im seichten Uferwasser, um Benn ein paar Zeilen zu entlocken. Das Schilf hat ihren Körper durchbohrt, aber noch immer bläht Atem ihre Lungen und entweicht ihnen als grässliches Lied.

Ihr Feuer verschwand mit dem Oktober, in der Nacht der Toten. Die Schreie hatten einen anderen Rhythmus, als seine Fäuste, die sich an der verriegelten Tür blutig flehten. Die Große Septime, crescendo, staccato, formido. Lektionen in Wahnsinn, seine Lektionen, niedergeschrieben auf ihrem zerrissenen Körper. Rache, Lust und Blow, los gelassen, um das Lächeln eines träumenden Jungen zu zerschmettern.

Er mied den Blick in ihre Augen, in deren Netzhaut sich die Bilder tätowiert hatten. Hadern, Bitten, Flehen, aber das Schicksal war taub und er tauschte Verzweiflung gegen Hass, Blut gegen Blut und Chancen gegen zwei Schleifsteine, die in einer Ginflasche versanken. Nach dem Feuer schwand ihre Farbe, sie krankte an Erinnerungen, bis sie am letzten Tag grau zwischen seinen Händen zerrann.

Gewohnheit hat dem bitteren Geschmack der Schuld eine unwiderstehliche Süße hinzu gefügt. Seine Bürde trägt er so sanft wie das Kind, wenn es nicht einschlafen will. Die Angst vor dem Verlust ist größer, als der Schmerz und lauter als der Verstand, der verzweifelt um die Oberhand kämpft. Was gewinnt, ist der Herzschlag des Kindes. Laut, konstant und von eisernem Willen. Und so legt er das Kissen beiseite und sich selbst zur Ruhe und es wird still im Haus. Für diese Nacht.





Schmachfetzen








Von den einsamen Matratzen
Warme Reste abzukratzen
Sanft und fest sind Tigertatzen
Geduldig harren Kratzekatzen
Liegen wach bis Spatzen schwatzen
Sehen zu wie Stunden platzen
Traumtanzend bei den Bettwanzen