Dienstag, 12. November 2013

Der Steinmetz

 
 
 
 
Die Tropfen hatten schnell gewirkt und sie schlief fest...
..., als er sie bäuchlings auf die Werkbank legte. Bevor er mit der Arbeit begann, nahm sich der Steinmetz eine Minute Zeit, sie in ihrer ganzen Unzulänglichkeit zu betrachten, um später den Nachher-Effekt noch mehr genießen zu können. Dann besah er das bereit gelegte Werkzeug und entschied sich nach kurzer Überlegung für das Spitzeisen. Er hatte beschlossen, an einer einfachen Stelle zu beginnen. Vorsichtig strich er ihr Haar nach vorne und begann, ihren Nacken zu bearbeiten.

Schon nach wenigen Schlägen waren die Bissspuren ihrer Affären abgetragen und die Haut jungfräulich glatt. Zufrieden entfernte er die Tätowierung von ihrem rechten Schulterblatt. Zwar hatte sie keine Bedeutung, aber er fand die Stelle vulgär. Ihr Rücken war weiß und eben, nichts zu verbessern. Weiter unten sah es anders aus. Deutlich erkannte er die Fingerabdrücke des Philosophen auf ihrem Hintern. Er konnte sie sich vorstellen, wie sie nebeneinander lagen und seine Hände über die weichen Rundungen wanderten, während er stundenlang seine Gedanken vor ihr ausbreitete. Wütend über die Vorstellung, schlug der Steinmetz fester zu, als beabsichtigt. Die Fingerabdrücke waren verschwunden, dafür war ihr Hintern jetzt etwas zu flach. Nun, sie trieb Sport, sie würde das mit der Zeit ausgleichen können. Die Tätowierung an ihrer Wade war ihm schon lange ein Dorn im Auge. Das Monster sollte für Stärke stehen, das Erheben aus der Asche. Lächerlich. Sie würde ihren Phönixmoment haben, wenn sie sich später im Spiegel besah. Er gab sich Mühe, nicht allzu viel abzuschlagen, aber als er sie später auf den Rücken drehte, bemerkte er, dass die rechte Wade nun deutlich kräftiger war, also entfernte er dort auch ein wenig Masse. Ebenso an den Oberschenkeln, um die entstandene Disproportionalität auszugleichen. Nun war ihr Unterkörper nach seinen Wünschen gestaltet und er wandte sich dem Torso zu. Die Rollen an ihrer Hüfte waren etwa einen Finger dick. Relikte aus der häuslichen, stagnierenden Beziehung mit dem Schnicker, deren Leere sie mit Essen zu füllen versucht hatte. Nachdem er sie bearbeitet hatte, waren ihre Kurven wieder perfekt. An ihren Brüsten hatte er prinzipiell nichts auszusetzen, aber sie ging auf die Dreißig zu und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schwerkraft hier wirken würde. Er reduzierte sie, bis nach seinem Maßstab je eine handvoll übrig blieb. Das würde ausreichen und weniger schnell schlaff werden. Kurz überlegte er, einen Teil ihres Bizeps abzutrennen, um sie etwas weiblicher wirken zu lassen, dann entschied er sich aber dagegen, weil er sonst ihre Schultern hätte angleichen müssen und das war eine komplizierte Arbeit. Stattdessen entfernte er mit einem gezielten Schlag die Kneipenschlägernarbe von ihrer Oberlippe. Überhaupt war das Gesicht verbesserungsbedürftig. Der Steinmetz glich die Lachfalten aus. Zeugnisse sinnfreier Saufabende mit ihren Proletenfreunden. Zu gerne hätte er die arrogante Nasenspitze etwas abgeflacht, aber dann hätte die Nase zu breit gewirkt und sein Bedürfnis nach Perfektion verbot ihm das. Ihr linkes Auge war etwas kleiner als das rechte. Es war Präzisionsarbeit und bedurfte nur eines hauchzarten Schlages, einen Teil des Lids zu entfernen, so dass nun auch in ihrem Gesicht wieder Gleichgewicht herrschte. Als letztes wandte er sich dem schwierigsten Teil zu. Tiefe Sorgenfalten hatten sich in ihre Stirn gegraben. Er wusste, wie sehr sie um den Schwächling gekämpft hatte, seinen Kopf in ihren Schoß gebettet, hatte er nächtelang wach gelegen und sein Schicksal beweint. Es hatte nichts genutzt. Der Schwächling war weit weg, eingesperrt wo er niemandem Schaden zufügen oder sie mit seinen Problemen behelligen würde. Höchste Zeit, seine letzten Spuren zu tilgen. Schweiß tropfte von seiner auf ihre Stirn und seine Augen brannten vom konzentrierten Starren, aber irgendwann war er fertig. Kurz bewunderte er sein vor der Vollendung stehendes Werk, dann warf er die Flex an, um ihr buchstäblich den letzten Schliff zu verleihen. Fertig. Ehrfürchtig staunend betrachtete er sie, bis er spürte, wie geil er davon wurde. Nur kurz zögerte er, bis er sich eine Rechtfertigung zurecht gelegt hatte und erleichtert zwischen ihre gespreizten Beine glitt. Trotz ihrer fehlenden Aktivität kam er schnell und heftig, den Kopf zwischen ihren verbesserten Brüsten gebettet. Dann wischte er sie und sich selbst mit seinem verschwitzten Hemd ab und verließ die Werkstatt, um das Abendessen vorzubereiten. Später, wenn sie wach war, würde er sie nach allen Regeln der Kunst verführen, wie er es seit einem Monat allabendlich tat. Nur würde es heute noch besser sein. Nicht nur besser. Perfekt.

Zwei Stunden hatte er gerechnet und als er nach Ablauf dieser Frist zurück in die Werkstatt kam, hatte sie ihre Position zwar nicht verändert, aber ihre nun gleich großen Augen waren offen. Sie reagierte nicht, als er sie ansprach, also richtete er sie auf und tatsächlich blieb sie sitzen. Mehr allerdings auch nicht. Etwas ratlos wedelte er seine Hand vor ihren Augen hin und her, täuschte Fausthiebe an. Kein Blinzeln, kein Zucken, Nichts. Der Steinmetz hob ihren linken Arm und beobachtet resigniert, wie dieser in der Stellung verharrte, als er ihn los ließ. Seufzend hob er sie auf und trug sie nach draußen in den Garten. Wenngleich er wenig Hoffnung hatte, gab es doch die Möglichkeit, dass die warme Spätsommerluft ihr wieder etwas Leben einhauchen würde. Keine Reaktion. Er bog ihre Wirbelsäule durch und richtete sie auf. Er wünschte, sie hätte langes Haar gehabt. So blieb ihm nichts anderes übrig, als ihren Arm nach innen zu biegen und ihre Hand züchtig vor ihren Schritt zu legen. Den rechten Arm winkelte er an, spreizte ihre Finger und schob sie in ihr Haar. Den Kopf knickte er ein wenig nach hinten und bog den Rücken stärker durch. Fast wäre sie umgefallen, deswegen brachte er ihre Beine in eine Ausfallschrittstellung. Die Pose war gleichzeitig schüchtern und herausfordernd, kokett, aber nicht zu offensiv. Sie hätte ihr gefallen. Kurz überlegte der Steinmetz, ihr einen besonderen Platz zu geben. Unter dem Kirschbaum vielleicht, oder auf dem Stück Wiese mit den Wildblumen, aber dann fand er, dass sie doch recht gewöhnlich gewesen war und stellte sie zu den anderen vor die Buxbaumhecke.

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