Sonntag, 24. November 2013

Regen übers Land










November war die Zeit der Südflüge. Wer den Anschluss verpasst hat, bleibt allein in der Kälte. Rilke flüstert von zu bauenden Häusern, aber nun ist es zu spät. Denn hier ist das Land, die Stagnation. Im Winter rückt die Natur näher, zeigt sich grausam und schonungslos, treibt uns mit den Spinnen in die Häuser. Schöne weiße Häuser mit hohen düsteren Toren. Wir kehren davor, denn es soll perfekt sein. Das neue Jahr liegt nicht länger in lauernder Wartehaltung, sondern hat bereits zum Sprung angesetzt und so lächeln wir einander Wünsche zu. Es könnte das letzte Mal sein, dass man so jung zusammen kommt.
Tatsächlich wünschen wir einander die Pest an den Hals, hinter zugezogenen Vorhängen gärt es grünlich und ich wünsche mich in unseren Sommer. Ich wünsche mich in deine Stadt, die groß ist, laut, krank und wundervoll. Wünsche mich an deine Hand, in deine Straßen, will mit dir die Orte deiner Kindheit suchen. Wünsche, ein großes, träges Raubtier zu sein, lauernd in deinem Bett, gierig süchtend nach deinem Schweiß.



Konjunktive schneiden wie Messer.
Manche sagen, es gäbe diesen einen Menschen, der für einen geschaffen sei und den man nie wieder los lassen solle. Helle Tigeraugen und warme Hände und unzählige Geheimnisse später entgleitet er mir. Ich bin ein Winterwolf, dem man das Fell abgezogen hat, der es sich dumm lächelnd abziehen ließ und nun darum weint. Nackt und zitternd verkrieche ich mich unter den Dachbalken, wo Dunkleres lauert als Einsamkeit.
Weil ich sie Freunde nennen, können sie mich nicht dort lassen. Sie zerren mich gewaltsam nach draußen, an grelle Orte. Hier gibt es keine Verbote. Es gibt Bier, Gin laute Worte und Gelegenheiten, bitter wie Tollkirsche. Dann und wann trifft eine Faust auf Knochen oder weiche, nachgiebige Stellen, ab und an blitzt ein Messer und wenn sich der Himmel färbt, findet sich ein finsterer Begleiter. Aber das muss reichen. So ist das Land.
Anstatt mich mit dir, an dir zu wärmen, durchstreife ich die kahlen Felder und vergrabe unsere ungeborenen Kinder unter den Wurzeln nackter Kirschbäume. Ich vergrabe sie tief, weil die Krähen lauern. Trampele die Erde über den Gräbern fest, weil er kommen könnte, so unwahrscheinlich es scheint in diesen Tagen, er könnte wieder kommen um sie auszugraben, der Frühling.