Dienstag, 27. August 2013

Ode an die Ode







Poesie, sitz einmal still 
 Weil ich dir etwas sagen will
Erweisen eine simple Gunst
Dir, der einen, bösen Kunst

Ich schreibe es dir als Gedicht:
Poesie ich mag dich nicht
Gern knie ich vor Prosa nieder
Doch du, du bist mir sehr zuwider

Als Kind fand ich dich noch grandios
Liebte Josef Guggenmos
Und “Oh Minnie, Minnie, Mai”
Diese Handklatschspielerei

Unsre ersten Schwierigkeiten
Dann zu Mittelstufenzeiten
Bot dir mutig noch die Stirn
Schlug “die Bürgschaft” in mein Hirn

Doch dann war er aus der Traum
“Da kommt unser Johnny und will seinen Baum”
War mir einfach viel zu blöde
Drum verließ ich dich ganz schnöde

When shall we two meet again?
Never Baby, it’s in vain
Change the language for today
I still hate you, anyway

Und es wurde nicht mehr besser
Im Grundkurs wetzte ich mein Messer
Tot des Dichters Intention
Durch Fehlinterpretation

Viribus infirmior
Nur deshalb dringst du in mein Ohr
Miststück, hör' mein Manifest
Odio inflammatum est

Metapher, Alliteration
Meine Hände zittern schon
Pars pro Toto, Euphemismus
Poesie gleicht Terrorismus

Jambus, Distichon Zäsur
Blutig rot ist meine Spur
Dichterischer Urinstinkt
Kotzen, weil das Versmaß hinkt

Ecoute bien, poésie bohème
Il y a un petit problème
Moi le citron et toi le ceste?
Poésie, je te déteste

Doch halt, ist da nicht dieser Herr
Mit dem Namen Baudelaire?
Dessen trübe, dunkelschwere
Zeilen ich so sehr verehre?
Hilft aus Depressionsgefahr
Nicht Jandlstottern, wunderbar?
Versteht, wenn ich aus Liebe leide
Nicht Walther von der Vogelweide?
Wie konnte ich mich so belügen?
Dir grausam diesen Schmerz zufügen?
Verzeihst du, wenn nach alter Sitte
Ich winselnd um Vergebung bitte?
Dichtkunst, Liebste, hörst du mich?
Oh, wie schrecklich blind war ich
Trotz all der Jahre, immer noch
Poesie, ich lieb’ dich doch.