Freitag, 3. Mai 2013

Traum A






Wenn sich die Furcht in den Nächten auswächst und das Lied der fahlen Sirene ihn aus dem Schlaf reißt, wird er zum Wanderer. Stunde um Stunde patrouilliert er zwischen dem Zimmer des Kindes und dem der Frau, züchtet Falten, für die sein Gesicht zu jung ist und flüstert Schwüre ins Dunkel.

Die Worte sind alt und verkrustet. Drei an der Zahl, hastig und notgeil von so vielen Mündern gestöhnt, dass ihr Wert gegen Null geht, aber in ihm sind gewichtig und klammern sich aneinander. Lange Zeit zu schwer, um sich zu lösen, zu groß, drängen sie nun nach oben, pressen sich von Innen an seine schmale Lippen. Präteritum bedeutet immer auch Konjunktiv. Als die Gesetze des Erträglichen noch ungebrochen waren, trug sie Feuer im Haar und das Erbe des Spätsommers auf der Haut. In unbeobachteten Momenten galt ihr Lächeln ihm, aber es war die Zeit des Königs und er nicht mehr, als der Barbierjunge, der mit zitternden Händen seinen Schrei vergrub. In den guten Träumen schläft sie in diesem Loch, bedeckt von schützender Muttererde, von der Wärme seiner Worte zehrend, bis der Frühling wiederkehrt. In seinen Albträumen liegt sie schon lange genug im seichten Uferwasser, um Benn ein paar Zeilen zu entlocken. Das Schilf hat ihren Körper durchbohrt, aber noch immer bläht Atem ihre Lungen und entweicht ihnen als grässliches Lied.

Ihr Feuer verschwand mit dem Oktober, in der Nacht der Toten. Die Schreie hatten einen anderen Rhythmus, als seine Fäuste, die sich an der verriegelten Tür blutig flehten. Die Große Septime, crescendo, staccato, formido. Lektionen in Wahnsinn, seine Lektionen, niedergeschrieben auf ihrem zerrissenen Körper. Rache, Lust und Blow, los gelassen, um das Lächeln eines träumenden Jungen zu zerschmettern.

Er mied den Blick in ihre Augen, in deren Netzhaut sich die Bilder tätowiert hatten. Hadern, Bitten, Flehen, aber das Schicksal war taub und er tauschte Verzweiflung gegen Hass, Blut gegen Blut und Chancen gegen zwei Schleifsteine, die in einer Ginflasche versanken. Nach dem Feuer schwand ihre Farbe, sie krankte an Erinnerungen, bis sie am letzten Tag grau zwischen seinen Händen zerrann.

Gewohnheit hat dem bitteren Geschmack der Schuld eine unwiderstehliche Süße hinzu gefügt. Seine Bürde trägt er so sanft wie das Kind, wenn es nicht einschlafen will. Die Angst vor dem Verlust ist größer, als der Schmerz und lauter als der Verstand, der verzweifelt um die Oberhand kämpft. Was gewinnt, ist der Herzschlag des Kindes. Laut, konstant und von eisernem Willen. Und so legt er das Kissen beiseite und sich selbst zur Ruhe und es wird still im Haus. Für diese Nacht.





Schmachfetzen








Von den einsamen Matratzen
Warme Reste abzukratzen
Sanft und fest sind Tigertatzen
Geduldig harren Kratzekatzen
Liegen wach bis Spatzen schwatzen
Sehen zu wie Stunden platzen
Traumtanzend bei den Bettwanzen