Was folgt, ist Nachklapp. In der letzten Minute dröseln sich die Fäden auf und dennoch lächelt Johann. Sein Gesicht glänzt schweißfeucht im flackernden Blaulicht, aus einem Riss an der Braue läuft Blut, bahnt sich seinen Weg über glatte Haut ins dunkle Dickicht der Haare. Draußen schreit jemand Anweisungen, aber es ist egal. Johanns Hand legt sich über meine, die voller Blut ist, und unsere Blicke treffen aufeinander. Schritte und laute Rufe im Erdgeschoss, auf der Treppe, im Gang, aber sie sind ebenso zu spät, wie ich.
Johanns Problem war die Zeit. Er kannte
sie, er verstand sie, aber er weigerte sich, sie als gegeben zu
nehmen. Er wusste, wann es Zeit war, zu schweigen oder den Blick zu
senken, aber er tat es nicht. Den Pakt mit dem Teufel schloss er
nicht an einem einzigen Tag, er wurde über Monate und Jahre hinweg
erarbeitet. In Sitzungen, die die Stille der Nacht durchbrachen,
einem stetigen Kräftemessen, das vor unseren Augen statt fand, der
blutigen Debatte über Prämissen und Sanktionen. Ob Johann gezielt
handelte, oder einfach nicht anders konnte, weiß ich nicht, aber ich
weiß, dass wir anderen nach und nach unser schweigendes
Einverständnis gaben. Es war der einfachere Weg, nahm die Schuld von
der logischen Erkenntnis, dass die Bestie, solange sie sich gegen
Johann wandte, wenigstens die anderen in Ruhe ließ. Wir lernten, zu
schweigen, die Stimmen nur dann zu erheben, wenn es galt, die
Geräusche aus dem oberen Stockwerk zu übertönen. Mit jedem
abgewandten Blick, jedem Drehen am Lautstärkeregler, vor allem aber,
als wir begannen, in Johanns Lächeln Provokation statt
Unbekümmertheit zu sehen. Es heftete sich auf seine Lippen, zuckte
verächtlich im Takt der Gürtelschläge und sorgte dafür, dass die
Hand der Bestie nicht müde wurde. Es strahlte unter Nasenblut, wurde
breiter, wenn es Schreie zurück hielt und zeigte Zähne, wenn zu
Pfeilen geschärfte Worte stumpf an Johann abprallten. Wenn der Kopf
meines Bruders in der Toilettenschüssel steckte, wanderte es durch
seine ausgestreckten Arme in die aufgestellten Mittelfinger, ein
obszöner Christus, der die Wut des Teufels über ihm am Brennen
hielt. Seinen Blick verbarg Johann unter einem Vorhang aus dunklem
Haar und bei den seltenen Gelegenheiten, in dem er ihn hob, gab ich
mir Mühe, ihm auszuweichen. Feucht und gehetzt, hätte er ihn
verraten.
An diesem Abend hat er mich getroffen,
mit flehender Intensität, die das Lächeln Lügen strafte. Aber es
lag nicht an Johanns Blick. Auch nicht an der Tatsache, dass ich
erstmals Zeuge wurde, wie er sich wehrte und die Bestie unter unseren
entsetzten Blicken zu Boden ging. Es war die Selbstverständlichkeit,
mit der sie uns auf ihrer Seite glaubte, als sie sich wieder
aufrappelte und Johann die Abreibung seines Lebens versprach. Mein
Wissen, dass Johanns Lächeln nicht den Misshandlungen, sondern
unserer Passivität galt, spiegelte sich in seinen Augen, als Vater
Johann über die Treppe prügelte. Es setzte sich in Aktivität um,
als ich die dumpfen Schläge hörte, trieb mich nach oben, wo Johanns
Stirn rote Flecken auf der hellen Tapete hinterlassen hatte. Er
wehrte sich nur noch schwach gegen die Bestie, die über ihm kniend
wieder und wieder zuschlug. Und dann setzt die Erinnerung aus.
Was folgt, ist Nachklapp. Sie geben uns
Anweisungen, wie wir uns zu verhalten haben. Etwas blockiert die Tür,
sie lässt sich nicht ganz öffnen und sie zwängen sich durch den
schmalen Spalt. Sie sind sowieso zu spät. Jemand zieht mich hoch und
biegt meine Arme nach hinten, während sich ein Sanitäter neben
Johann kniet. Sein Kollege beugt sich über die Gestalt hinter der
Tür, misst wo es nichts mehr zu messen gibt. Die Bestie hat ihren
letzten Atemzug getan. Als sie mich nach draußen zerren, begegne ich
Johanns Lächeln und spüre, wie sich meine Lippen verziehen.